Samstag, 15. Dezember 2012

Meine Geschichtte

Jedes Ding hat eine Geschichte. Kennt man diese oder zumindest einige wichtige Auszüge aus dieser, gewinnen diese Dinge oftmals an Wert. Doch nicht nur dies. Sie schaffen es so auch häufig, ein wenig Speicherplatz in den Gehirnen von Menschen zu erobern.

Da sich dies nicht anders mit Namen verhält, möchte ich heute meine Geschichte mit Euch teilen. Natürlich nicht meine ganze Geschichte, sondern nur einen kleinen Ausschnitt daraus. Denn jemandem meine ganze Geschichte zuzumuten, wäre doch eher kontraproduktiv; man müsste danach unweigerlich annehmen, ich würde nur so langweilige Zeilen zustande bringen.

Das Erlebnis, welches ich mit Euch teilen will, wurde mir bei der Vorbereitung auf diesen Blog auf schöne, aber dennoch unmissverständliche Weise in Erinnerung gerufen. Vielleicht versteht manch einer von Euch nach diesem kurzen Einblick in mein Leben, woher ich die Zuversicht für das Projekt Namenmachung nehme und woher ich die Gewissheit habe, auf dem richtigen Weg zu sein.

Im Frühjahr 2009 unternahm ich während einem dreiwöchigen Urlaub eine Reise nach Südostasien. Mein Plan war es eigentlich, über das nördliche Thailand nach Kambodscha zu reisen, dort die Tempel von Angkor zu besuchen und abschliessend einige Tage am Meer auf Koh Chang zu verbringen. Als ich jedoch im Flugzeug nach Bangkok meinen Reiseführer über Kambodscha studierte, sprach mich ein vorbeigehender, älter Herr an. „Ah, Kambodscha“, meinte er und fragte mich, ob er sich auf den freien Sitz neben mir setzen darf.

Nach einem ziemlich langen Gespräch waren meine Reisepläne über den Haufen geworfen. Mein erstes Ziel hiess nun Laos. Denn der sympathische Herr konnte mich vollends überzeugen, dass ein Umweg über den Süden Laos' nach Kambodscha eine traumhaft schöne Route und genau das sei, wonach ich suchte.

Zwei Tage später sass ich schliesslich in einem Nachtzug, der mich an die laotische Grenze bringen sollte. Als der Schaffner meine Sitzbank in ein Bett umwandeln wollte, lernte ich im Zugkorridor ein Pärchen aus dem Süden Deutschlands kennen, dass ähnliche Pläne wie ich hatte. So ergab es sich, dass wir die nächsten 10 Tage gemeinsam durch das südliche Laos und das nördliche Kambodscha reisten.

Um es kurz zu machen: Der ältere Herr im Flugzeug hatte nicht zu viel versprochen. Die Reise war ein Traum. Ein Abenteuer, das mir unendlich viele neue Eindrücke schenkte und in mir eine Leidenschaft aufkommen liess, die man wohl am treffendsten als Reisefieber bezeichnet.

Nach einer wunderbaren Zeit mit meinen zwei neuen Freunden und vielen unvergesslichen Erlebnissen, hiess es dann kurz vor Phnom Penh Abschied nehmen. Während ich unbedingt die Tempel von Angkor sehen wollte, reisten meine zwei neuen Freunde an die kambodschanische Küste weiter.

Obwohl solche Abschiede mit Reisebekanntschaften oftmals für immer sind, war ich mir ziemlich sicher, dass es in diesem Fall anders sein würde. Ich ahnte jedoch nicht, wie Recht ich mit meiner Einschätzung hatte.

Als ich eine gute Woche später, am Morgen meines Geburtstages, an den Strand in der Nähe meiner Unterkunft auf Koh Chang ging, traf mich der Schlag. Da lagen doch tatsächlich meine beiden Schwaben direkt vor mir im Sand. Ich war sprachlos und total überrumpelt. „Wir dachten, dass wir doch ein Geburtstagsbier mit Dir trinken wollen“, war ihre simple Erklärung für das überraschende Wiedersehen.

Ich war selten so gerührt. Ich freute mich unglaublich über dieses einmalige Geburtstagsgeschenk und konnte es einfach nicht fassen. Denn während wir nach dem Abschied nehmen in ständigem Kontakt via SMS waren und sie unbedingt wissen wollten, wie „mein“ Strand auf Koh Chang so war, hatte ich seit ein paar Tagen nichts mehr von ihnen gehört. Dies schien mir zwar sehr ungewöhnlich. doch ich dachte, dass dies bestimmt am nicht sehr zuverlässigen, kambodschanischen Mobilfunknetz liege. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass solch eine Überraschung der Grund dafür war.

Obwohl schon diese Überraschung viel mehr war, als man sich von einem gelungenen Geburtstag erhoffen kann, wartete noch ein weiteres Geschenk auf mich. Beim gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant direkt am Strand, erhielt ich von meinen Freunden ein Buch geschenkt. Es hiess „Das Ende ist mein Anfang“ und wurde von Tiziano Terzani und Hilfe dessen Sohnes geschrieben.

Obwohl das Buch gebraucht war und ich den Autor bis dahin nicht kannte, freute ich mich riesig über das Geschenk. Denn meine Freunde hatten auf der ersten Seite ein paar Zeilen nur für mich darin verewigt. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Wortlaut der Geburtstagswünsche erinnern, mit Ausnahme eines Satzes: „Vielleicht findest Du Dich darin selbst wieder.“

Das Lesen des Buches war ein weiteres wunderschönes Geschenk. „Das Ende ist mein Anfang“ ist eines der schönsten Bücher, das ich je gelesen habe. Und das will doch etwas heissen, denn ich habe schon sehr viele Bücher gelesen.

Terzanis Geschichte wird anhand eines Gespräches mit seinem Sohn erzählt, das sich über mehrere Wochen kurz vor seinem Tod hinzieht. Terzani wollte seinem Sohn etwas weitergeben, bevor er nach einer schweren Krankheit unsere Welt verliess. Und dies ist ihm ohne jeden Zweifel gelungen. Denn seine Ausführungen über seine vielen Reisen, seine Tätigkeit als Korrespondent beim Spiegel und sein Leben als Asket im Himalaya sind schlicht und einfach hervorragend.

Terzanis Worte haben mir jedoch nicht nur unglaublich gefallen, sondern mich auch auf eine ganz spezielle Weise angesprochen. Seine Worte haben eine Tiefe, eine Reife, die man nicht einfach irgendwo findet. Sie scheinen genau das zu haben, was Carlton in „Hund sei Dank“ als die Zutaten für Weisheit bezeichnet: Erfahrung kombiniert mit Reflexion.

Obwohl ich diese kleine Geschichte niemals vergessen werde, war sie während den Vorbereitungen auf diesem Blog nicht in meinen Gedanken. Als ich mich jedoch ein wenig mit Blogger vertraut machen wollte, stiess ich per Zufall auf den Blog von Mr. Coconutyoga. Sehr bald kamen in mir jedoch Zweifel auf, ob es sich dabei wirklich um einen Zufall handelte. Denn obwohl ich eigentlich nach Berichten über Bali, über mein derzeitiges Zuhause, suchte, fand ich in seinem Blog einen älteren Beitrag über eben diesen Tiziano Terzani.

Sofort war ich mit meinen Gedanken wieder an jenem wunderschönen Tag, an jenem einmaligen Geburtstag. Doch ehe ich mich versah, liess mich Herr Terzani aus meinen Tagtraum in die Gegenwart zurückkehren. Denn im Blogeineitrag befasste sich Terzani genau mit der Problematik, mit welcher ich im Moment zu kämpfen habe:

“Mein Name, mein Beruf, meine Herkunft, all das, was ich einst herangezogen hätte, um mich zu beschreiben, gehörte nicht mehr zu mir. (…) Was bleibt von mir ohne meinen Namen, ohne all das, woran ich mein ganzes Leben lang so hartnäckig gearbeitet habe?”

Die traurige Einsicht, dass es in der heutigen Gesellschaft von enormer Wichtigkeit ist, einen Namen zu haben, gewann Terzani jedoch ziemlich sicher schon lange zuvor. Um jedoch von seiner Arbeit als Auslandskorrespondent und Schriftsteller leben zu können und um seine Familie zu ernähren, blieb ihm wohl keine andere Wahl, als sich mit diesem Schicksal zu arrangieren. Und so fiel diese Last erst von seinen Schultern, als ihn eine schwere Krankheit zum Nachdenken brachte.

Wie ich mir wünschen würde, diese Einsicht zu leben! Doch leider sehe ich mich gezwungen, in die genau entgegengesetzte Richtung zu gehen. Denn so gut es mir auch im Hintergrund gefällt und so wenig mich der Bekanntheitsgrad meines Namens oder meiner Person auch interessiert, muss ich mich dennoch auch mit meinem Schicksal arrangieren. Denn meinen Traum zu leben, heisst, mir einen Namen zu machen...

Auch wenn diese Geschichte nur einen kleinen Einblick auf die Beweggründe gewährt, die mich zum Projekt Namenmachung drängten, ist sie für mich dennoch von grosser Wichtigkeit. Dies nicht nur, weil sie mir auf unvergessliche Weise zeigte, auf dem richtigen Weg zu sein. Sondern auch, weil sie hier nur die schöne Stellvertreterin für viele weitere kleine Geschichten ist, die mir Ähnliches zeigten...

1 Kommentar:

  1. Das muss wirklich eine wunderschöne Überraschung gewesen sein! Bisweilen liefen mir auch Reisende an den verrücktesten Wegen wieder über den Weg. Und ich glaube kaum, dass ich das Gesicht meines Freundes jemals vergessen werde, als ich wie ein Gespenst als Überraschungsgast 11.000 Kilometer anreiste und aus dem Nichts erschien...
    Bücher mit einer Widmung finde ich grandios und auch sonst ist manchmal sehr erstaunlich auf welch passende Bücher man bisweilen beim Reisen trifft. Zu Tiziano Terzani noch eine Anmerkung: auch er hat sein ganzes Leben daran gearbeitet, sich einen Namen zu machen, um seiner Berufung nachgehen zu können, und umso ironischer empfand er selbst im Alter zu Anam - dem Namenlosen zu werden. Die gleichnamige Dokumentation mit seinem letzten Interview ist grandios. Werde Dir die Tage noch eine Mail zu kommen lassen - da gibt es noch ein paar interessante Paralellen.
    Beste Grüsse,

    Mr. Coconutyoga

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