Heute
ist ein guter Tag, um ein wenig über Wände zu schreiben. Nicht weil
es regnet und ich dank ihrer Unterstützung und jener des Dachs nicht
nass werde. Sondern weil ich an meinem neu eingerichteten Pult hier
in Bali eine riesige, weisse Wand vor meiner Nase habe, die
verzweifelt nach ein bisschen mehr Leben und Farbe schreit.
Da
mir der Anblick dieser weissen, nackten Wand alles andere als die
Ruhe gibt, die ich zum Schreiben brauche, blicke ich abwechselnd auf
den Bildschirm meines Computers und aus dem Fenster zu meiner
Rechten. Die Aussicht aus dem Fenster von meinem bescheidenen neuen
Arbeitsplatz ist nicht berauschend: Ein Dachgiebel, ein paar grüne
Baumkronen, eine Hügelkuppe mit einem Dutzend Häusern im
Hintergrund und Tausende von Regentropfen. So uninteressant sich
dieses Fensterpanorama anhört, ist es dennoch eindeutig meine
favorisierte Blickrichtung während den Denkpausen beim Schreiben.
Ziemlich trostlos, nicht wahr?
Deshalb
habe ich mich gerade entschlossen, dem Hilferuf der weissen, nackten
Wand so schnell wie möglich nachzukommen und eine neue Wand an sie
zu hängen. Denn wenn ich bei meinem Projekt „Wall on Wall“ schon
predige, dass „meine“ Wände verzweifelt nach nackten Wänden
suchen, dann ist es wohl eine Selbstverständlichkeit, dass auch ich
meine nackten Wände für sie opfere.
Doch
opfern ist wohl das falsche Wort. Denn ich mag meine Wände. Und zwar
so ziemlich alle von ihnen. Nicht alle in gleichem Masse. Aber doch
alle auf eine bestimmte Weise. Deshalb ist mein kleines „Wand auf
Wand“-Projekt auch längstens noch nicht abgeschlossen. Ich muss
nicht nur eine Firma hier in Bali finden, die „meine“ Wand auf
Leinwand druckt. Nein, ich muss mich vor allem erst einmal
entscheiden, welche Wand ich in Zukunft von meinem Schreibplatz aus
betrachten will.
Natürlich
habe ich einige persönliche Favoriten. Eine mehrheitlich gelbe Wand
eines Ölfasses aus Thailand und eine mehrheitlich rote Wand einer
malaysischen Telefonkabine zum Beispiel. Oder vielleicht doch die
kunterbunte Wand einer Wellblechabschrankung aus den Philippinen?
Oder gar die Wand, die ich für das Cover für „Hund sei Dank“
gebraucht habe? Oder eine meiner neusten Wände, eine hölzerne eines
Imbissstandes hier in Bali, deren Licht-Schatten-Spiel so harmonisch
wirkt?
Ich
bin mir ziemlich sicher, dass alle meine Wände das Panorama an
meinem neuen Arbeitsplatz verschönern würden. Denn auch wenn die
Wände in kleinem Format teilweise unscheinbar erscheinen, ist ihre
Wirkung auf einer grossen Leinwand ziemlich eindrücklich. Dies
trifft zumindest auf jene Wände zu, die ich bereits auf Leinwand
gedruckt habe. Leider sind dies noch nicht sehr viele: Fünf Wände,
die während der Rosenwoche in Bischofszell im Schaufenster des
Modegeschäfts Dorelle ausgestellt waren und jetzt mit zwei weiteren
Exemplaren in der Praxis meines Vaters hängen.
Doch
dies will nichts heissen. Denn die Rückmeldungen auf meine Wände
sind durchwegs positiv und ihre Einmaligkeit nicht abzustreiten. Es
ist wahrscheinlich einfach eine Frage der Zeit, bis ich mehr meiner
Wände in gross sehen kann. Ob mir dabei eine Galerie helfen wird,
weiss ich bei bestem Willen nicht. Denn die Erfahrungen, die ich
bisher mit Galeristen gemacht habe, sind bis auf eine schlecht. Falls
man „Nicht-Antworten“ auf meine Emails überhaupt als Erfahrung
bezeichnen kann...
Trotz
aller Schwierigkeiten, die mich auf meinem Weg noch erwarten werden,
bin ich doch sehr zuversichtlich, dass ich bald mehr „meiner“
Wände im Grossformat sehen kann. Ich werde weiterhin versuchen,
Galerien zu kontaktieren und sie auf meine Wände aufmerksam zu
machen. Ich habe mir aber auch schon Gedanken über „Crowdfunding“
gemacht. Diese neue Erscheinung in den Online-Medien scheint ziemlich
im Trend zu sein und könnte mir allenfalls bei meinem Unterfangen
helfen. Kommt Zeit, kommt Rat.
Ganz
sicher bin ich mir jedoch, dass ich eine meiner Wände bald in gross
sehen werde. Denn mein Gewissen wird mir keine Ruhe lassen, bis ich
dieser nackten, weissen Wand direkt vor meiner Nase geholfen habe.
Dass ich durch meine Hilfeleistung gleichzeitig auch noch meine
Arbeitsumgebung beträchtlich verbessern werde, ist natürlich
nebensächlich. Zumindest aus Sicht der hilfebedürftigen Wand...
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