Sonntag, 3. Februar 2013

Meine Wände

Heute ist ein guter Tag, um ein wenig über Wände zu schreiben. Nicht weil es regnet und ich dank ihrer Unterstützung und jener des Dachs nicht nass werde. Sondern weil ich an meinem neu eingerichteten Pult hier in Bali eine riesige, weisse Wand vor meiner Nase habe, die verzweifelt nach ein bisschen mehr Leben und Farbe schreit.

Da mir der Anblick dieser weissen, nackten Wand alles andere als die Ruhe gibt, die ich zum Schreiben brauche, blicke ich abwechselnd auf den Bildschirm meines Computers und aus dem Fenster zu meiner Rechten. Die Aussicht aus dem Fenster von meinem bescheidenen neuen Arbeitsplatz ist nicht berauschend: Ein Dachgiebel, ein paar grüne Baumkronen, eine Hügelkuppe mit einem Dutzend Häusern im Hintergrund und Tausende von Regentropfen. So uninteressant sich dieses Fensterpanorama anhört, ist es dennoch eindeutig meine favorisierte Blickrichtung während den Denkpausen beim Schreiben. Ziemlich trostlos, nicht wahr?

Deshalb habe ich mich gerade entschlossen, dem Hilferuf der weissen, nackten Wand so schnell wie möglich nachzukommen und eine neue Wand an sie zu hängen. Denn wenn ich bei meinem Projekt „Wall on Wall“ schon predige, dass „meine“ Wände verzweifelt nach nackten Wänden suchen, dann ist es wohl eine Selbstverständlichkeit, dass auch ich meine nackten Wände für sie opfere.

Doch opfern ist wohl das falsche Wort. Denn ich mag meine Wände. Und zwar so ziemlich alle von ihnen. Nicht alle in gleichem Masse. Aber doch alle auf eine bestimmte Weise. Deshalb ist mein kleines „Wand auf Wand“-Projekt auch längstens noch nicht abgeschlossen. Ich muss nicht nur eine Firma hier in Bali finden, die „meine“ Wand auf Leinwand druckt. Nein, ich muss mich vor allem erst einmal entscheiden, welche Wand ich in Zukunft von meinem Schreibplatz aus betrachten will.

Natürlich habe ich einige persönliche Favoriten. Eine mehrheitlich gelbe Wand eines Ölfasses aus Thailand und eine mehrheitlich rote Wand einer malaysischen Telefonkabine zum Beispiel. Oder vielleicht doch die kunterbunte Wand einer Wellblechabschrankung aus den Philippinen? Oder gar die Wand, die ich für das Cover für „Hund sei Dank“ gebraucht habe? Oder eine meiner neusten Wände, eine hölzerne eines Imbissstandes hier in Bali, deren Licht-Schatten-Spiel so harmonisch wirkt?
 
Ich bin mir ziemlich sicher, dass alle meine Wände das Panorama an meinem neuen Arbeitsplatz verschönern würden. Denn auch wenn die Wände in kleinem Format teilweise unscheinbar erscheinen, ist ihre Wirkung auf einer grossen Leinwand ziemlich eindrücklich. Dies trifft zumindest auf jene Wände zu, die ich bereits auf Leinwand gedruckt habe. Leider sind dies noch nicht sehr viele: Fünf Wände, die während der Rosenwoche in Bischofszell im Schaufenster des Modegeschäfts Dorelle ausgestellt waren und jetzt mit zwei weiteren Exemplaren in der Praxis meines Vaters hängen. 
 
Doch dies will nichts heissen. Denn die Rückmeldungen auf meine Wände sind durchwegs positiv und ihre Einmaligkeit nicht abzustreiten. Es ist wahrscheinlich einfach eine Frage der Zeit, bis ich mehr meiner Wände in gross sehen kann. Ob mir dabei eine Galerie helfen wird, weiss ich bei bestem Willen nicht. Denn die Erfahrungen, die ich bisher mit Galeristen gemacht habe, sind bis auf eine schlecht. Falls man „Nicht-Antworten“ auf meine Emails überhaupt als Erfahrung bezeichnen kann...

Trotz aller Schwierigkeiten, die mich auf meinem Weg noch erwarten werden, bin ich doch sehr zuversichtlich, dass ich bald mehr „meiner“ Wände im Grossformat sehen kann. Ich werde weiterhin versuchen, Galerien zu kontaktieren und sie auf meine Wände aufmerksam zu machen. Ich habe mir aber auch schon Gedanken über „Crowdfunding“ gemacht. Diese neue Erscheinung in den Online-Medien scheint ziemlich im Trend zu sein und könnte mir allenfalls bei meinem Unterfangen helfen. Kommt Zeit, kommt Rat.

Ganz sicher bin ich mir jedoch, dass ich eine meiner Wände bald in gross sehen werde. Denn mein Gewissen wird mir keine Ruhe lassen, bis ich dieser nackten, weissen Wand direkt vor meiner Nase geholfen habe. Dass ich durch meine Hilfeleistung gleichzeitig auch noch meine Arbeitsumgebung beträchtlich verbessern werde, ist natürlich nebensächlich. Zumindest aus Sicht der hilfebedürftigen Wand...

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